«Das Tessin zählt zu den besten Orten überhaupt»

«Das Tessin zählt zu den besten Orten überhaupt»

Luxus im Tessin, Schweiz unter Palmen

Die Eröffnung des neuen Gotthardtunnels macht Immobilien in der Südschweiz interessant. Ueli Schnorf weiss, was Käufer suchen.

Residence: Welche Auswirkung auf den Immobilienmarkt erwarten Sie von der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels?

Ueli Schnorf: Immer, wenn ein Zentrum mit der Peripherie besser verbunden wird, erlebt die Peripherie einen Aufschwung. Vor allem Bellinzona und Lugano werden profitieren, etwas weniger vielleicht das Locarnese, weil man immer noch umsteigen muss. Für das Tessin wird die Eröffnung des Ceneri-Basistunnels wichtiger sein, der einen echten Metropolitanraum entstehen lässt.

Viele Deutschschweizer, die nun bald eine Stunde schneller in der Sonnenstube des Landes sind, verbinden das Tessin mit einer Idyllvorstellung von Palmen, Polenta und Rustico. Stimmt das Bild?

Es mag für manche Senioren stimmen und vielleicht auch noch für einen Teil der Mittelschicht. Inzwischen gibt es ganz andere Bevölkerungsgruppen, die das Tessin schätzen gelernt haben: Im Sommer ist ja halb Zürich auf der Piazza Grande in Locarno. Für Immobilien interessieren sich Wohlhabende aus aller Welt, für die das Tessin zu den beste Orten überhaupt zählt. Sie schätzen die Natur, Sicherheit, Infrastruktur, die zentrale Lage in Europa und die Steuerattraktivität. Polenta und Palmen kommen da nicht vor!

Es heisst, die Italiener, einst eine der bedeutendsten Kundengruppen, kaufen kaum noch.

Das stimmt so nicht. Italiener kaufen seit je vor allem im Luganese. Bei den Luxusresidenzen zählen sie nach wie vor zu den wichtigsten Nachfragegruppen, auch weil sie die Situation in Italien weiterhin mit Skepsis betrachten. Zu ihnen gesellen sich vermehrt Käufer aus den Niederlanden, Skandinavien oder Osteuropa – und sogar aus Fernost.

Der Markt für Zweitimmobilien hat sich deutlich abgekühlt. Müssen Verkäufer Konzessionen beim Preis machen?

Ja, vor allem im Luxussegment und bei Neubauprojekten sehen wir im Moment leicht sinkende Preise. Es wird nur verkauft, was einen sehr guten Gegenwert bietet. Zudem finanzieren die Banken zwar extrem günstig, sind aber gleichzeitig sehr zurückhaltend bei der Vergabe von Krediten.

Generell leidet der Immobilienmarkt Tessin an einem partiellen Überangebot. Weshalb?

Bei den Zweitwohnungen wurde vor dem Verbot versucht, so viel wie möglich bewilligen zu lassen, was nun zu einem temporären Überangebot führt. Im Luxussegment hat sich das Angebot gegenüber 2012, als die Preise auf dem Höhepunkt waren, fast verdoppelt. Wir analysieren das sehr genau: Die Gründe sind oft objektbezogen. Zudem gibt es eine grosse Gruppe von Eigentümern um die siebzig, die ihre zu grossen Liegenschaften gegen kleinere eintauschen wollen. Weil bei ihnen der Verkaufsdruck fehlt und die Preisvorstellungen noch nicht angepasst sind, gibt es einen gewissen Bestand an unverkauften Objekten auf dem Markt.

«Im Luxussegment des Immobilienmarkts hat sich das Angebot seit 2012 fast verdoppelt.»

Was raten Sie Immobilienentwicklern?

Entscheidend ist der Standort, das heisst, man sollte dort bauen, wo die Menschen künftig leben wollen. Dazu kommt der Preis. Mieter und Käufer sind heute so sensitiv wie schon lange nicht mehr. Wichtige Aspekte sind auch die Bauqualität, das Design und die Haustechnik. Das Tessin liegt diesbezüglich noch ziemlich zurück. Viele Neubauten sehen aus, als wären sie in den 1980er Jahren erstellt worden.

Welche Art von Luxus ist für den Markterfolg entscheidend?

Auch hier steht die Lage an erster Stelle. Käufer achten heute darauf, dass der Unterhaltsbedarf möglichst gering ist und die Hausautomation einfach zu bedienen ist. Schliesslich ist auch in diesem Segment der Preis wichtig, er muss realistisch sein.

Die Tessiner selbst bauen lieber auf der grünen Wiese ein Häuschen, anstatt sich in den engen Stadtzentren eine teure Wohnung zukaufen. Warum?

Auch hier wird es früher oder später heissen: Zurück in die Stadt. Viele Tessiner sind nach wie vor mit der Erde verbunden und ziehen ein Haus auf eigenem Grund und Boden einer Wohnung vor. Selbst dann, wenn es klein und bescheiden ist.

Luxus unter Palmen

Ueli Schnorf ist Inhaber und Geschäftsführer von Wetag Consulting. Die 1973 gegründete Firma mit Sitz in Locarno und Büros in Lugano und Ascona ist auf die Vermittlung von luxuriösem Wohneigentum spezialisiert und exklusiver Partner von Christie’s International Real Estate für das Tessin.

www.wetag.ch

Interview: David Strohm
Foto: Claudio Bader

Artikel von NZZ Residences 2/2016

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